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Poladroid: zwischen Foto-Nostalgie und GUI-Horror

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Schlagworte: GUIPaul LadroidPoladroidPolaroidProgrammeRoland BarthesSoftware

Poladroid simuliert die Entwicklung der analogen Polaroids bis ins kleinste Gui-Detail. Kann das funktionieren?

Fotografie hat die seltsame Angewohnheit, uns an eine Zeit zu erinnern, die nicht mehr ist, aber einmal war. Roland Barthes nannte das Ganze das ça-a-été, das Es-ist-so-gewesen, und betrachtete es als die grundlegende Eigenschaft der Fotografie. Nun vergehen aber nicht nur die Momente, die fotografisch festgehalten werden, sondern auch die Mittel, mit denen sie festgehalten werden. Um dann, so wie bei Barthes, der ein Bild seiner Mutter betrachtet und sich an sie erinnert, später wieder aufzutauchen und plötzlich erneut ganz und gar Gegenwart zu sein.

So geschehen mit der immer beliebter werdenden Software Poladroid, kostenfrei erhältlich für Mac und Windows. Lässt man das erste d weg, weiß man schon, worum es geht: um jene einst unverzichtbaren Kameras, die nach dem Auslösen Papier mit einer Chemikalie ausspuckten, die nach ein paar Minuten auf wundersame Weise das gerade gemachte Bild erschienen ließ. Sofortbild nannte man das damals, und es war ein großer Vorteil gegenüber der anderen Verfahren, bei denen man noch länger warten musste. Doch es kam, wie es kommen musste, und die unsäglichen Digitalkameras waren bald noch viel mehr Sofortbild und auch schnell verbreitet. So musste Polaroid bald aufgeben, die Filme zu produzieren. Und mit ihnen verschwindet immer mehr ein Verfahren, das bei Fotografen wie Ansel Adams eine eigene Stilistik begründet hat.

Poladroid: exakte Nachbildung einer verschwindenden Technologie, im Guten wie im Schlechten

Aufnahme einer Hütte
Das Ausgangsbild – eine Hütte in den Schweizer Alpen

Nun haben digitale Medien aber die eigenartige Angewohnheiten, Dinge aus der realen Welt nachbilden zu wollen, und dabei zu denken, es sei das Gleiche. So geschehen mit Poladroid: Paul Ladroid hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit seinem kleinen, aber feinen Programm den Polaroids neues, digitales Leben einzuhauchen. Das jedoch in jeder Hinsicht, die man sich denken kann. So begrüßt einen nach Programmstart keine grafische Oberfläche, sondern eine nachgebildete Polaroid-Sofortbild-Kamera, auf die man ein beliebiges Bild ziehen kann. Daraufhin spuckt das Gerät ein Stück digitales Papier aus, und man darf mit ansehen, wie sich dort langsam eine Polaroid-Version des Bilds abzeichnet. Und wie man es beim analogen Polaroid auch machen würde, kann man dann wie wild an dem Bild rumwackeln, damit es schneller gehe. Das ist bei den ersten paar Mal schön mitanzusehen und eine sehr witzige Idee, erweist sich jedoch danach eher als GUI-Horror (graphical user inferace, GUI). Da fragt man sich schon, was das soll: denn bei Photoshop geht ja auch nicht eine Schere quer übers Bild, wenn ich es beschneide…

GUI von Poladroid
Die grafische Benutzeroberfläche von Poladroid – man ziehe ein Bild auf die Kamera und warte. Und warte. Und warte…

Die Ergebnisse jedoch sind durchaus gelungen. Poladroid spuckt quadratische Bilder mit dem typischen Polaroid-Rand aus und verändert polaroidmäßig die Farben, schön zu sehen an dieser Aufnahme einer Hütte in den Schweizer Alpen. Zwischendrin kann man sich Samples des Polaroids nehmen oder gar die Entwicklung stoppen, womit man zu schön psychedelischen Bildern gelangt, die an Crossentwicklung erinnern.

zwei mit Poladroid entwickelte Bilder
Zwei verschiedene Entwicklungsstufen eines Poladroids – links wurde die Entwicklung gestoppt, rechts das Ende abgewartet

So ganz vorhersehbar ist die Software dabei allerdings nicht: so hatte ich manchmal Fingerabdrücke auf dem Bild, vermutlich, weil ich an der falschen Stelle zum Rütteln angepackt habe. Andererseits könnte man daraus auch schon wieder einen Stil kreiieren. Eine Software für Kreative, ohne Frage.

[gefunden bei Bitsundso Folge 129]